Hintergrund

Die Situation von »Menschen ohne Papiere« in Deutschland

In Deutschland leben nach Schätzungen zwischen 200.000 und 500.000 „Menschen ohne Papiere“, d.h. ohne geregelten Aufenthaltsstatus. Sie stellen einen Teil unserer Gesellschaft dar, leben aber in ständiger Angst, abgeschoben zu werden.

Ihre Migrationsgeschichten, insbesondere die Gründe, die zu einem Leben in der Illegalität führen, sind sehr unterschiedlich. Totalitäre Gesellschaftssysteme, wirtschaftliche Ausbeutung, soziale Ungerechtigkeit und Krieg treiben Menschen in die Flucht. Oft sind reichere Länder des globalen Nordens unmittelbar oder mittelbar an der Entstehung oder an der Aufrechterhaltung der entsprechenden Konflikte beteiligt. Die Ablehnung dieser Fluchtgründe im Asylverfahren und die restriktiven Regelungen im Zuwanderungsgesetz bedeuten für Asylsuchende und Migrant:innen, dass sie in die Illegalität gedrängt werden.

Obwohl Menschen ohne Papiere unterschiedliche Gründe für ein Leben in der Illegalität haben, ist ihnen gemeinsam, dass sie durch die bestehende Gesetzeslage im Alltag vom Zugang zu Bildung, Arbeit und Gesundheitsversorgung ausgeschlossen werden.

Neben den Papierlosen haben häufig auch Migrant:innen aus den neuen EU-Ländern wie Rumänien, Bulgarien und Polen praktisch keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Sie leben legal in Deutschland, sind aber oft weder im Herkunftsland noch in Deutschland krankenversichert.

Desweiteren zählen auch deutsche Staatsbürger:innen, darunter Wohnungslose und Selbstständige, die aus der regulären Krankenversicherung ausgeschieden sind, zu Menschen, die unsere Hilfe in Anspruch nehmen.

Rechtliche Situation für medizinische Behandlungen

Die medizinische Versorgung illegalisierter Personen ist nicht strafbar – sie haben theoretisch ein Recht auf Gesundheitsversorgung durch das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Dies ist jedoch beschränkt auf akute Erkrankungen und Schmerzzustände, beinhaltet also keine medizinische Regelversorgung. Zum Beispiel wird häufig keine ausreichende zahnmedizinische und psychotherapeutische Versorgung zur Verfügung gestellt.

Außerdem ist nach Paragraf 87 Aufenthaltsgesetz das Sozialamt bei einer Kostenübernahme der Behandlung verpflichtet, die Daten an die Ausländerbehörde zu übermitteln. Damit würde den Betroffenen die Abschiebung drohen. Menschen, die der Ausländerbehörde bislang nicht bekannt sind, laufen somit immer Gefahr, vom Behandlungszimmer in Abschiebegewahrsam zu kommen. Um Aufmerksamkeit auf die Problematik zu lenken, unterstützt Medinetz Marburg e.V. die Initiative GleichBeHandeln.

Eine Ausnahme bilden Notfallbehandlungen. Krankenhausverwaltungen dürfen die Daten von Patient:innen nicht an die Ausländerbehörde weitergeben, da diese unter ärztlicher Schweigepflicht erhoben wurden. Dieser Geheimnisschutz verlängert sich bei Notfallbehandlungen sogar bis in die Sozialämter: Auch diese dürfen die Migrant:innen nicht mehr melden, wenn sie die Daten von der Krankenhausverwaltung erhalten. Wenn belegt werden kann, dass Bedürftigkeit besteht, können Krankenhäuser somit zumindest die Behandlungskosten für medizinische Notfälle auf Basis des SGB XII vom Sozialamt zurückfordern. Alle anderen Behandlungen sind von dieser Regelung allerdings nicht betroffen.